Die umstrittenen Erweiterungen der Kiestagebaue in der Südbrandenburger Region um Mühlberg/Elbe schreiten ungebremst voran. Davon machten sich am Freitag Bündnisgrüne – wie die Lausitzer Landtagsabgeordnete Ricarda Budke, die Kreisvorsitzenden von Elbe-Elster Valentine Siemon und Spree-Neiße Heide Schinowsky – ein Bild der Lage vor Ort. Ursprünglich hatte sich auch der sächsische Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann angekündet. Aufgrund eines akuten Termins in Chemnitz konnte der Bundespolitiker nicht teilnehmen. Stellvertretend erschienen sein Büroleiter Robert Kempe sowie Mike Kess aus dem Büro der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock. Beim Treffen mit dem Wasserversorger, Lokalpolitikern und Betroffenen vor Ort wurden die negativen Auswirkungen der industriellen Kiesförderung offenbar. Eine schnelle Lösung zeichnet sich nicht ab.
Der versiegende Dorfteich inmitten von Burxdorf, einem Ort unweit eines riesigen Kiestagebaus, ist nur noch eine schmale Pfütze. Alle anderen sogenannten Himmelsteiche der Region sind schon lange trockengefallen, berichteten Anwohner. Der Vorsitzende der Verbandsgemeindeversammlung Bad Liebenwerda Jörg Fabian beschrieb, dass auch in der gesamten Region schon unzählige Brunnen ausgetrocknet seien.
Zu der aktuell im Planfeststellungsbeschluss befindlichen Erweiterung des Kiestagebaus Altenau hatte der Wasserversorger Riesa/Großenhain GmbH eigens über das UBV Umweltbüro GmbH Vogtland eine kritische Stellungnahme eingereicht. Dazu heißt es im Planfeststellungsbeschluss: „Das Umweltbüro Vogtland kommt zu dem Ergebnis, dass der Tagebaubetrieb und die offene Wasserfläche das Grundwasser aus dem Dargebot für die überregionale Trinkwasserversorgung entziehen würde. Zudem würde sich eine veränderte Grundwasser-Fließrichtung einstellen und damit das Einzugsgebiet der Brunnen verändern, und somit Auswirkungen auf die ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebiete haben“. Ob diese alarmierende Einschätzung Auswirkungen auf die Genehmigung haben wird, ist derzeit noch offen. Der Geschäftsführer der Wasserversorgung Riesa/Großenhain GmbH Heiko Bollmann wie auch Dr.-Ing. Thomas Daffner vom UBV Umweltbüro GmbH Vogtland bemängelten, dass die Auswirkungen von Kiestagebaue-Erweiterungen jeweils nur einzeln, aber nicht insgesamt betrachtet werden. Grundsätzlich sei es schwer, mit Kritik bei den Genehmigungsbehörden durchzudringen.
Ob eine Reform des Bundesbergrechts mit einer ökologischen Ausrichtung eine Lösung für die Region Mühlberg sein könnte, blieb an dem Tag offen. Eine Änderung würde möglicherweise nur neue Vorhaben betreffen.
Über die Notwendigkeit, das Bergrecht zu ändern, waren sich indes alle Teilnehmenden einig. „Das Bergrecht wird von uns geändert, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wurde“, bestätigte der Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann (Mitglied im Wirtschaftsausschuss) per Telefonschaltung aus Chemnitz. Für Herrmann sei es sehr wichtig, dass die Betroffenen Gehör finden. „Die Reform des Bergrechts darf nicht von den Rohstoffkonzernen bestimmt werden“, sagte Herrmann. Auch werde er sich für eine Bauwende und den Einsatz von mehr Recyclingprodukten im Baubereich einsetzen. Der Bundespolitiker versprach, den ausgefallenen Vor-Ort-Besuch nachzuholen, auch weil er die Region Mühlberg aus seiner Zeit als Wasserbauingenieur persönlich kennt.
Wie dramatisch die Situation ist, brachte Sigrid Käseberg auf den Punkt: Wenn die Rohstoffkonzerne weiter ungebremst Kies abbaggern, habe Mühlberg keine Zukunft. Es gebe nur noch zwei Wirtschaftszweige – den Kiesabbau und die Landwirtschaft. Mit dem Kiesabbau würden die fruchtbarsten Böden in Südbrandenburg unwiederbringlich zerstört – und damit der Landwirtschaft die Grundlage entzogen, meinte Käseberg. Ihre Bürgerinitiative „Verein für eine Heimat mit Zukunft“ habe schon über 80 Mitglieder und ist im schlagkräftigen Umweltnetzwerk Grüne Liga organisiert. Dieses legt sich schon mal mit Branchengrößen wie Tesla und LEAG an.
Auch die lokale Agrargenossenschaft bestätigte die Furcht vor dem Verlust der wertvollen Böden. Vertreter der Bauernschaft berichteten, dass auf den schlechteren Böden deutlich weniger Nahrungsmittel produziert werden könnten. „Was ist wichtiger: Kies oder Nahrung?“, stellte der Landwirt eine rhetorische Frage in die Runde. Eine Lösung zur Eindämmung der Vernichtung von Landwirtschaftsflächen könne nach Ansicht von Käseberg die Regelung aus Mecklenburg-Vorpommern sein. Dort werden Böden mit hohen Bodenpunkten unter besonderen gesetzlichen Schutz gestellt. Auch könne das Land Bergwerkseigentum, das zu Wendezeiten von der Treuhand an Konzerne verramscht wurde, zurückkaufen, schlug Käseberg vor.
„So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Wenn das Mantra vom ‚Bauen, Bauen, Bauen‘ weiterhin mit Beton und Co umgesetzt wird, hat das solch eklatante Auswirkungen auf die Menschen, das Wasser und die Landwirtschaft. Ich bin echt erschüttert. Wir müssen umsteuern, wenn die Region eine Zukunft haben soll. Wir haben leider nicht den einen Hebel, mit dem alles zum Guten gewendet werden kann. Wir bleiben am Thema dran und nehmen die sehr bedrohlichen Hinweise mit nach Potsdam“, resümierte die Landtagsabgeordnete Ricarda Budke. Sie weist auch daraufhin, dass in dieser Legislaturperiode bereits die Bauordnung geändert wurde, um Bauen mit Holz in Brandenburg zu erleichtern. Die Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen Elbe Elster Valentine Siemon sprach allen Mut zu: „Es liegen große Aufgaben vor uns, aber gemeinsam – davon bin überzeugt – können wir es schaffen“.
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