Eine Mauer mit Rissen

Es war wie ein Paukenschlag bei der Bürgerversammlung am 18. November 2025 in Tauer: Nahezu alle Bergschadensanträge der Einwohnerinnen und Einwohner wurden abgelehnt. Von 24 durch den Braunkohleverstromer LEAG beauftragten Gutachten stellten 23 keinen Bergschaden fest; lediglich in einem einzigen Fall seien weitere Untersuchungen notwendig. Für viele Betroffene war diese Nachricht ein Schock.

Die Stimmung im Saal kippte entsprechend schnell in Empörung. Viele Einwohnerinnen und Einwohner berichten von Rissen, Setzungen und austrocknenden Brunnen, die zuvor über Jahrzehnte nicht vorhanden waren und nun im Umfeld des Tagebaus Jänschwalde auftreten. Besonders irritierend war für viele die Position des Bergamts: Die Behörde erklärte, man könne Schäden nicht klar dem Tagebau oder dem Klimawandel zuordnen.

Bergschäden entstehen durch den Braunkohletagebau, weil großflächige Grundwasserabsenkungen und Bodenbewegungen das Erdreich destabilisieren und dadurch Setzungen, Risse und Verformungen an Gebäuden verursachen.

Auf der Versammlung wurde deutlich, dass die LEAG die vorliegenden Gutachten teilweise nicht vollständig gelesen hatte. Mehrere Anwohnerinnen und Anwohner wiesen auf offensichtliche Fehler hin: So fehlte in einem Gutachten der komplette Keller; in einem anderen wurde ein Keller eingezeichnet, den es gar nicht gibt. In einem weiteren Gutachten wurde den Betroffenen sogar vorgehalten, dass Teile ihres Gebäudes – wie die Garage – „durch das Befahren mit Fahrzeugen“ genutzt worden seien.

Zahlreiche Betroffene äußerten außerdem den Eindruck, dass es sich bei den Anschreiben um Serienbriefe handele. Die Gutachter seien oft nur kurze Zeit vor Ort gewesen. Bohrungen oder weiterführende Untersuchungen wurden nur teilweise durchgeführt.

Wie tief das Problem inzwischen in den Ort hineinwirkt, zeigt auch, dass die Kirche in Tauer Schäden aufweist. Christian Stecklina vom Gemeindekirchenrat schilderte, dass das historische Gebäude inzwischen deutliche Risse zeigt und die Schäden sichtbar zunehmen. Für viele war dies der Beleg, dass es sich längst nicht mehr um einzelne Fälle handelt, sondern um ein strukturelles Problem, das die gesamte Ortschaft betrifft.

Aus der Versammlung kam deshalb die zentrale Forderung, das Bergamt müsse als Überwachungsbehörde endlich eigene Bohrungen und Untersuchungen durchführen, statt sich ausschließlich auf die Daten der LEAG zu verlassen. Bergamtspräsident Sebastian Fritze meinte dazu, man könne dies theoretisch tun, habe jedoch weder einen Auftrag noch das erforderliche Personal.

Heide Schinowsky, Sprecherin der Grünen Spree-Neiße, zeigte großes Verständnis für den Unmut im Ort: „Die Menschen in Tauer fühlten sich seit Jahren allein gelassen. Die ständige Vermischung möglicher Ursachen – Tagebau oder Klimawandel – wirkt auf viele wie ein Ausweichmanöver, das die dringend notwendige Aufklärung nur weiter verzögert. Es reicht nicht, mit dem Finger auf den Klimawandel zu zeigen. Wer über Jahrzehnte ganze Landschaften umgräbt, trägt Verantwortung für die Folgen. Genau diese Verantwortung darf man nicht länger wegschieben.“

Schinowsky fordert deshalb eine unabhängige Nachprüfung aller Gutachten, vollständige Transparenz zu Boden- und Grundwasserdaten sowie ein dauerhaftes Monitoring. Zudem müsse das Bergamt eigene Untersuchungen vornehmen können, um seiner Aufsichtsfunktion gerecht zu werden. Nur eine ernsthafte, unabhängige und transparente Klärung könne das Vertrauen der Menschen in Tauer wieder stärken – und verhindern, dass sich die Schäden weiter ausbreiten, ohne dass jemand Verantwortung übernimmt.

Im Bergrecht gibt es die Möglichkeit, bei Gefahr für Leib und Leben einzugreifen und Maßnahmen anzuordnen. „Wenn die Häuser Risse vom Fundament bis zum Dach zeigen und selbst öffentliche Gebäude betroffen sind, dann muss geprüft werden, ob diese Schwelle nicht längst überschritten ist“, so Schinowsky.

Grundsätzlich brauche es im Bundesberggesetz endlich eine Beweislastumkehr. Derzeit müssten die Betroffenen dem Unternehmen nachweisen, dass der Braunkohleabbau die Schäden verursacht hat. Schinowsky ist dazu bereits im Austausch mit der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Andrea Lübcke. Die promovierte Physikerin aus dem Ausschuss für Technikfolgenabschätzung kündigte an, nach Tauer zu kommen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.

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